Stellungnahme zur Berichterstattung über das Spiel der U23 des FCA gegen den TSV 1860 München

Der RGW-Hilfe ist bewusst, dass Schlagzeilen wie „Kripo ermittelt gegen Fußball-Ultras“, „Fangewalt“ oder „Dieser Einsatz kostet 150 000€“ mehr Leser zum Kauf einer Zeitung animieren als „Ultras helfen Bewusstlosem“ oder „Polizei versprüht Pfefferspray gegen friedliche Fans“. Ultra ist gleich Gewalt, das will man lesen und das macht Auflage.
Daher sehen wir es als unsere Aufgabe als Fanhilfe an, auch die andere Seite zu durchleuchten. In Zeiten, in denen das Vertrauen in die Medien immer weniger wird, Begriffe wie „fake news“ oder „alternative Fakten“ die Runde machen, wollen wir versuchen, objektiv an Sachen ranzugehen. Und das aus einem einfachen Grund: weil es die heimische Presse eben nicht macht!
Es ist die Aufgabe der einzigen Tageszeitung in dieser Stadt Dinge objektiv und auch sachlich darzustellen. Vor allem dann, wenn ein Reporter vor Ort und damit Augenzeuge ist und somit die Pflicht hat, journalistisch einwandfrei zu arbeiten.

1.
Als sich am vergangenen Sonntag zum Spiel gegen den TSV 1860 München gegen 11 Uhr rund 300 Fans des FC Augsburg am Königplatz versammelten, war auch ein AZ-Reporter vor Ort. Laut allen Augenzeugenberichten herrschte eine friedliche und ausgelassene Stimmung. Als darüber hinaus ein Angehöriger der „Kö-Szene“ in der Grünanlage des Königsplatzes zusammenbrach, leisteten Fans der aktiven Fanszene Ersthilfe und versorgten ihn bis zum Eintreffen der Sanitäter und Notärzte. Und das, während die Beamten des USK aus München und Dachau teilnahmslos dabeistanden. Wir wissen, das ist keine Schlagzeile wert. Was aber nicht sein kann, ist, dass ein Foto des Rettungswagens mit Ärzten und Beamten des USK später online in der heimischen Zeitung auftaucht und dies mit der Unterschrift „vor dem Spiel des FCA II gegen 1860 trennte ein Großaufgebot der Polizei die Fanlager. Auch am Abend gab es einen Einsatz“ genutzt wird. Kein Wort zum Notfall, kein Erwähnen der Ersthilfe durch Ultras, keine Schlagzeile wert. Nein, dieses Bild wird genutzt um wieder einmal einen Zusammenhang von Gewalt, Notärzten und Fußballfans herbeizuschreiben. Noch trauriger ist die Tatsache, dass der Reporter als Augenzeuge es nicht für nötig hält, dies zu korrigieren.
Die RGW-Hilfe beobachtet mit Sorge, dass es in Augsburg seit geraumer Zeit kaum eine objektive Berichterstattung über das Thema „Ultras“ und „Fanszene“ gibt und darüber hinaus nicht auch mal im Zusammenhang einer immer größer werdenden Jugendkultur berichtet wird. Wir stellen uns die Frage, warum oft nur der Polizeibericht kritiklos übernommen wird, eigene Beobachtungen (die offensichtlich nicht zum Thema „Gewalt“ passen) unter den Tisch fallen und eine simple Recherche, wie beispielweise Nachfragen beim FCA-Fanprojekt oder dem FCA-Fanbeauftragten sehr oft unterlassen wird. Wo Ultras sind, ist die Gewalt nicht fern. Das ist der Tenor, die wenigen Berichte über soziales Engagement oder andere positive Dinge gehen dabei unter.

2.
Ähnlich war die Situation vor dem Stadion. Die rund 300 Fans des FCA wollten friedlich durch die Einlasskontrollen, wurden aber aus Sicherheitsgründen daran gehindert um eine Fanmischung zu verhindern. Soweit, so gut. Was aber nicht sein darf, ist die folgende Vorgehensweise der Polizei: anstatt auf die immer bedrohlichere Situation zu reagieren als Menschen Panik bekamen, der Druck in der Menge immer größer wurde und einzelne versuchten aus der Masse raus zu kommen, wurde der Kessel um die Fans enger gezogen und als Höhepunkt Pfefferspray gegen die Fans eingesetzt! Es gab Verletzte, wobei eine Anzeige gegen nicht identifizierbare Beamte wieder einmal ins Leere laufen würde. Und wie so oft handelten die auswärtigen Beamten eigenmächtig, ohne Rücksprache mit der Augsburger Einsatzleitung und der FCA-Sicherheitsverantwortlichen.
In aller Klarheit wollen wir sagen: Dass bei diesem Geschehnis nicht viel Schlimmeres passiert ist, ist nicht selbstverständlich und liegt einzig und allein an der Besonnenheit der Fans. Wir hoffen, dass die verantwortlichen Stellen diesen missglückten Einsatz analysieren, Konsequenzen für die leitenden Personen gezogen werden und vergleichbare Einsätze in Zukunft nicht mehr so organisiert werden, dass unschuldige Fans grundlos zu Schaden kommen.
Aber auch in diesem Fall ist es keine Zeile wert, darüber zu berichten. Denn auch in diesem Fall stand der AZ-Reporter direkt daneben und beobachtete die Situation. Offensichtlich passt ein komplett überzogener Einsatz der Polizei nicht in die Berichterstattung zum Spiel. Er wird einfach verschwiegen.

3.
Die RGW-Hilfe will hier keine Rechtfertigung aller Aktivitäten der Ultra-Szene betreiben. Es laufen 42 Ermittlungsverfahren gegen FCA-Fans, die in Zusammenhang mit diesem Spiel stehen. Ob Polizei und Staatsanwaltschalt hier zu einem strafrechtlich relevanten Ergebnis kommen, muss abgewartet werden. Ebenso wie aber die Behörden bei eventuellen Straftaten durch Fans ermitteln, erwarten wir eine ebenso saubere und konsequenze Strafverfolgung und Sanktionierung von polizeilich begangenen Straftaten und Körperverletzungen.
Die RGW-Hilfe fordert einen fairen Umgang mit Fußballfans. Es darf nicht geschehen, dass Leib und Leben durch einen willkürlichen Einsatz von Polizeikräften gefährdet werden. Der Einsatz von Pfefferspray beim Spiel gegen 1860 ist nur das letzte Beispiel von vielen.
Und wir fordern vor allem die heimische Presse auf, den üblichen Pressekodex einzuhalten: Objektiv kann Berichterstattung nämlich nur sein, wenn sie unabhängig ist, neutral an die Sache herangeht und alle Informationen sammelt, die für einen objektiven Bericht notwendig sind. Dies aber vermissen wir. Grund ist vielleicht auch, dass in Augsburg kein Konkurrenzdruck besteht, die Recherche auch mal lascher ausfallen kann und eben die Schlagzeile „Randale beim Fußball“ die Auflage steigert. Mehr als schade ist es aber dann, wenn ein Reporter vor Ort ist und Geschehnisse, die nicht diesem Bild entsprechen, mal eben weggelassen werden. Objektivität UND allumfassende Information sieht anders aus.

Rot-Grün-Weiße Hilfe Augsburg
20.10.2017