Dienstagmorgen, 6 Uhr, irgendwo in Augsburg. Durch das sanfte Klopfen eines Rammbocks werden drei FCA-Fans in einer WG geweckt. Der Klang aufgebrochener Türen wird melodisch passend durch das Geschreie zarter USK-Stimmen untermalt. Der Weckdienst bringt zwar kein Frühstück ans Bett, dafür aber Handschellen und Kabelbinder. Was folgt, ist eine rund 2,5-stündige Tortur in einer 5-Personen-WG. Die insgesamt drei anwesenden Bewohner werden zunächst im Unklaren gelassen. Nach mehreren Minuten werden sie in ihr Wohnzimmer verfrachtet und allmählich aufgeklärt: Hausdurchsuchung. Allerdings nicht bei ihnen, sondern bei einem Mitbewohner, der bereits in der Arbeit ist.
So überraschend der Start in den Tag für die drei WG-Bewohner begann, so unerwartet ging er auch weiter. Wurde ihnen zunächst noch mitgeteilt, dass der Durchsuchungsbeschluss für das Zimmer ihres abwesenden Mitbewohners und die Gemeinschaftsräume sei, konnten die drei durch die verglasten Türen des Wohnzimmers beobachten, wie Beamte ebenso die Zimmer der vier weiteren Mitbewohner unter die Lupe nahmen und Fotos in den Räumen anfertigten. Die Verwunderung war groß, wussten sie doch, offensichtlich anders als die Beamten des USK und der Polizei Augsburg, dass ausschließlich die Durchsuchung der Räume zulässig ist, die auch im Beschluss benannt werden. Allerdings wurde diese rechtliche Vorgabe trotz eindeutigen Namensschildern an allen Zimmertüren mutmaßlich missachtet.
Rechtlich schien auch der Beamte, der die drei FCA-Fans im Wohnzimmer bewachte, nicht sonderlich sattelfest zu sein. Fragen der Betroffenen nach ihren Rechten konnten nicht beantwortet werden. Auch der Anspruch auf einen unabhängigen Zeugen, der die Durchsuchung beobachten darf, war diesem nicht bekannt. Wie es der Zufall wollte, hatten die drei Fans jedoch einen Flyer parat, der die eigenen Rechte bei Hausdurchsuchungen auflistet. So durfte nach weiteren Minuten und ausführlicher Beratung der uniformierten Dilettanten zumindest einer der drei Fans das Wohnzimmer verlassen und das im Gesetz verbriefte Recht auf einen unabhängigen Zeugen wahrnehmen.
Die eingesetzten Beamten hatten überdies weitere fragwürdige Manieren parat. Die Frage eines Bewohners, was denn nun eigentlich in seinem Zimmer gemacht werde, wurde umgehend beantwortet: „wir sammeln deine Fanutensilien ein und verschenken sie an andere Ultras“. Um nachzuweisen, dass ein Tablet einem der Mitbewohner und nicht dem Beschuldigten gehörte, wurde dieser aufgefordert sein Passwort zu nennen. Im Wissen, dies nicht tun zu müssen, bot der Besitzer an, private E-Mailkorrespondenz aufzuzeigen, um so nachzuweisen, dass es sich um sein Gerät handle. Just als der unschuldige Fan seine Tastensperre deaktiviert hatte, wurde ihm das Tablet mit den Worten „das ist jetzt meins“ aus der Hand gerissen. Was dem juristischen Laien nicht bekannt war, ist, dass er damit wohl den Tatbestand des schweren Raubes erfüllt haben dürfte. Die harte Hand des Gesetzes hatte jedoch nicht mit den flinken Fingern des FCA-Fans gerechnet. So konnte dieser sein Tablet noch rechtzeitig wieder sperren und den Polizisten so womöglich vor weiteren Gesetzesbrüchen schützen.
Die Handschellen und Kabelbinder wurden den Mitbewohnern zwischenzeitlich wieder abgenommen. Als diese nach langer Zeit des aufgezwungenen Wartens um einen Toilettengang baten, wurde dies zunächst ignoriert. Wenig später hatten die Beamten dann doch das Einsehen, ein menschliches Grundbedürfnis nicht ewig verwehren zu können und boten freundlicherweise gar eine persönliche Begleitung an. Dieses Angebot kam den Bewohnern seltsam vor und so wurde ihnen die Alternative offeriert, sich stattdessen auch nackt ausziehen zu können und dann die Toilette zu benutzen. Auch dies erschien als keine attraktive Option. Als der Drang es nicht mehr anders zuließ, kam einer der Betroffenen auf das Angebot einer Begleitung zurück. Überrascht war er beim Betreten des Gäste-WC, denn scheinbar schien nicht nur sein eigener Bedürfnisdrang groß gewesen zu sein. So fiel im auf, dass die Toilette offensichtlich verstopft wurde und der Bubenstreich noch zusätzlich mit Kotresten garniert wurde.
Wir könnten die süffisanten Schilderungen der Hausdurchsuchungen noch weiter ausführen, waren an jenem Dienstagmorgen nicht nur unsere drei Protagonisten betroffen, sondern auch weitere Personen in insgesamt fünf Augsburger Wohnungen. Auch sie erlebten ähnliche Highlights polizeilicher Inkompetenz und Unverhältnismäßigkeit. Der Spaß bei den Betroffenen hielt sich, anders als bei unseren humoristischen Ausführungen angedeutet, jedoch in Grenzen.
Ein gewaltsames Eindringen in die eigenen vier Wände stellt nicht nur eine psychische Belastung dar, sondern ist auch mit erheblichen Folgen für die Beschuldigten und die weiteren Bewohner verbunden. So wurden in insgesamt vier Wohnungen die Eingangstüren unwiederbringlich beschädigt (siehe beigefügte Fotos). Darüber hinaus sahen sich die Beamten selbst im Verhältnis 10 zu 1 noch dazu gezwungen, sich dem Mittel der Handschellen bedienen zu müssen. Ein Betroffener durfte diese gleich über mehrere Stunden sein Eigen nennen. Nämlich vom gewaltsamen Eindringen in die Wohnung bis zur finalen erkennungsdienstlichen Behandlung auf der Polizeiwache. Ein weiterer kam in den Genuss, gefesselt durch eine belebte Innenstadtstraße abgeführt zu werden. In einer anderen Wohnung wurden neben der Eingangstüre gar noch weitere (unabgesperrte) Zimmertüren demoliert. Zerstörtes Privateigentum wie Laptops und Handys, das zuvor noch in einwandfreiem Zustand war – sogar bei unbeteiligten Mitbewohnern – steht in der weiteren Bilanz (siehe beigefügtes Foto).
Kommen wir zu den harten Fakten. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Mainz wurden insgesamt 45 Durchsuchungsbeschlüsse erlassen. Insgesamt 300 Polizeibeamte und -beamtinnen waren zeitgleich am 19.03.2024 in den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern im Einsatz. Was wie die Einleitung zu einem Bericht über Waffenkriminalität oder Drogenringe klingt, ist der Aufwand, der für Fußballfans aus Mainz, Frankfurt und Augsburg betrieben wurde. Den betroffenen Fans aus Augsburg wurde dabei vorgeworfen bei einer Auseinandersetzung beim Auswärtsspiel in Mainz beteiligt gewesen zu sein. Die Vermutung der Staatsanwaltschaft – geplante Drittortauseinandersetzung – kann nach Kenntnisstand der Rot-Grün-Weißen Hilfe nicht bestätigt werden. Vielmehr scheint es sich um ein zufälliges Aufeinandertreffen zwischen Mainzer und Augsburger Fans gehandelt zu haben, bei der keine Unbeteiligten zu Schaden gekommen sind.
Die RGWH als eine Solidargemeinschaft von FCA-Fans für FCA-Fans hat den Auftrag, Fans bei Komplikationen mit dem Gesetz zu beraten und bei Bedarf zu unterstützen sowie Fehlverhalten staatlicher Institutionen zu benennen. Und genau dies tun wir auch hier. Die Agitatoren demaskieren sich und ihre vermeintliche Einhaltung der Gesetze mit solch überzogenen Maßnahmen selbst. Die Absurdität des staatlichen Agierens zeigt sich in der Farce der gesuchten Corpora Delicti: weiße Sneaker, blaue Jeans und schwarze Jacken. Selbst die Kleiderschränke der Staatsanwaltschaft dürften diese Gebrauchsgegenstände hergeben. Weiterhin gesucht: Datenträger. Und genau hier offenbart sich der wohl eigentliche Zweck der Maßnahmen: dem Sammeln von Daten und Informationen, auch von unbeteiligten Mitbewohnern, die durch eine unrechtmäßige Durchsuchung ihrer eigenen Räume ebenso bewusst diskreditiert und eingeschüchtert werden sollen.
Die beschuldigten Fans werden von uns juristischen Beistand erhalten, um die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen nachträglich prüfen zu lassen. Ihre Mitbewohner und Partnerinnen werden wir im Verfolgen der Rechtsbrüche durch eingesetzte Polizeibeamte begleiten. Zusätzlich werden wir weitere Aufklärungsarbeit leisten müssen, um so auch weiterhin Fans über ihre Rechte aufzuklären, sodass diese auch in Zukunft bei unrechtmäßigen Handlungen der selbsternannten „Hüter von Recht und Ordnung“ intervenieren können.
Fanhilfe hilft – die Polizei nicht!
Rot-Grün-Weiße Hilfe e.V. im März 2024