Neue Dimension polizeilicher Datensammelwut: die Datei „EASy Gewalt und Sport“

Unter dem Namen „EASy Gewalt und Sport“ wurde 2021 eine Datei bekannt, die die bayerischen Polizeibehörden im Geheimen als eine weitere Überwachungssoftware über Fußballfans eingeführt haben. Diese geht über die bundesweite Datei „Gewalttäter Sport“ in ihrem Umfang und in der Datenvielfalt noch weiter hinaus. Durch Zufall, nachdem ein Fußballfan hartnäckig bezüglich seines Falls nachgefragt hatte, wurde diese Datei öffentlich. Und auch die Zahl der eingetragenen Fälle: im Jahr 2020 waren rund 1600 Fans aus Bayern in dieser Datei gespeichert. Darunter befinden sich sogar Personen, die sich noch nicht einmal strafbar gemacht haben.

Mit einigen Landtagsanfragen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat diese in den vergangenen Monaten offizielle Auskünfte seitens der bayerischen Staatsregierung über diese Datei erhalten. Doch diese Auskünfte können nicht befriedigen, da zum Teil ungenau und auch nicht immer detailliert genug auf die Fragen eingegangen wird.

Trotzdem hat die „Arbeitsgemeinschaft Fananwälte“ die Antworten ausgewertet und folgende Schlussfolgerungen daraus gezogen. Diese wollen wir ebenfalls hier präsentieren, da sie die Dimensionen der Datei und die weitreichenden Folgen für betroffene Fans mehr als deutlich zusammenfassen:

1. Die bayernweite Datei ist eine Datensammlung und Analysesoftware. Sie ersetzt und erweitert die zuvor bei einigen Polizeipräsidien geführten sog. SKB-Datenbanken (SKB = “szenekundige Beamte“). Mit der Datei sollen gezielt Personen im Umfeld der aktiven Fanszene erfasst werden, selbst wenn diese gar nicht aktenkundig geworden sind. Damit soll eine ganze Fangemeinde überwacht werden. So soll ausweislich der Zweckrichtung der Datei die Gruppenzugehörigkeit von Personen und sogar das Umfeld von Fangruppen registriert werden, um „Zusammenhänge von Szenen“ herzustellen.

2. Maßgeblich für die Eintragung soll allein eine kleine Gruppe regional zuständiger Polizeibeamter sein. Die Kriterien für die Eintragung sind nicht definiert, so dass willkürliche Entscheidungen durch die Beamten nicht auszuschließen sind.

3. Personen sollen identifiziert und deren Aufenthaltsorte im Stadion registriert werden. Es werden Dateien über alle besuchten Fußballspiele einzelner Personen geführt.

4. Die Betroffenen werden über die Eintragung nicht informiert. Wer ein Auskunftsersuchen über einen etwaigen Eintrag stellt, soll laut der Antwort der Staatsregierung nicht vollständig über die jeweils gespeicherten Daten Auskunft erhalten, sondern nur über einen Teil (erlaubt sein soll etwa die Information an den Betroffenen, von welcher „Vereinszugehörigkeit“ ausgegangen wird). In einigen aktuell gestellten Auskunftsersuchen wird diese intransparente Praxis bestätigt.

5. Während in der Datei „Gewalttäter Sport“ aktuell ca. 500 Personen aus Bayern registriert sind, sind es in der Datei EASy ca. 1.600, also mehr dreimal so viele. Darunter vor allem Personen, die weder verurteilt wurden noch gegen die überhaupt ermittelt oder eine polizeiliche Maßnahme ergriffen wurde. Es soll genügen, dass diese dem Umfeld von Fangruppen zugerechnet werden, etwa als „Unterstützer gewaltbereiter Gruppen“ oder als „Personen, von denen aufgrund vorliegender Erkenntnisse Gefahren ausgehen können (Gefährder)“. Dabei sollen auch Deliktsgruppen wie Beleidigung, Besteigen von Zäunen und Aufkleber-Kleben erfasst sein. Man kann also in der Datensammlung landen, wenn die Polizei meint, dass von einer Person die Gefahr des Anbringens von Aufklebern oder eine überhaupt nicht näher definierte Gefahr ausgeht.

6. Und selbst wenn ein Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, soll Voraussetzung für eine Löschung aus der Datei sein, dass man selbst eindeutig beweist, dass man unschuldig ist.

(Quelle: Arbeitsgemeinschaft Fananwälte, 2021. Neue Dimension polizeilicher Datensammelwut – Datei „EASy Gewalt und Sport“. Abgerufen am 10.02.2022 von: https://www.fananwaelte.de/wp-content/uploads/2021/08/PM-AG-Fananwaelte_20210819.pdf)

Diese Datei greift unserer Meinung und auch der der Fachjuristen nach erheblich in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ein und ist in dieser Form verfassungswidrig!

Die Polizei stützt sich allein auf subjektive Einschätzungen. Subjektive Meinungen und Wertungen haben aber bei einer Eintragung in eine Datei, welche gravierende Folgen für das Leben eines betroffenen Fans haben kann, nichts verloren. Insbesondere in Anbetracht der Willkür, nach der Eintragungen vollzogen werden, können diese Praktiken nur kritisch gesehen werden.

Die Rot-Grün-Weiße Hilfe hat daher in den letzten Wochen verstärkt Aktionen initiiert, um hier einerseits Informationen einzuholen und andererseits Fans zu helfen, aus dieser Datei gelöscht zu werden. Durch unsere Initiative wurde eine Sammelanfrage von ca. 70 Personen gestellt, ob Augsburger Fans in dieser Datei gelistet sind. Daraufhin wurden von den Behörden Ende 2021 von 117 gelisteten Personen 65 (!) Fans aus der Datei gelöscht, da die Eintragungen offensichtlich nicht mehr haltbar waren. Begründet wird dies auf Landtagsanfrage mit „turnusmäßigen Qualitätskontrollen“. Die plötzliche Löschung von mehr als der Hälfte aller Eintragungen offenbart jedoch vielmehr die Nervosität auf Seiten der Behörden, sich hier wohl doch nicht auf rechtssicherem Terrain zu befinden. Auch findet eine zunehmende Vernetzung der bayrisch / fränkisch / schwäbischen Fanhilfen und Solidaritätsorganisationen statt, um weitere Anfragen bayernweit zu starten und der Polizei damit klar zu zeigen, dass die Fans hier weiter Druck machen und diese Datei auch in Zukunft nicht akzeptieren werden.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützt uns dahingehend und wird weiter auf politischem Wege die Aufmerksamkeit auf diese Datei lenken. Wir als Fanhilfe haben dazu bereits eine klare Meinung:

Die Rot-Grün-Weiße Hilfe fordert die umgehende Abschaffung der Datei „EASy Gewalt und Sport“! 

Allen Fans bieten wir weiterhin an, ihnen bei der Informationsbeschaffung hinsichtlich einer möglichen Eintragung in dieser Datei zu helfen. Darüber hinaus beraten wir Betroffene über die Möglichkeit einer Löschung und wie diese zu erreichen ist. Es sind bei weitem nicht nur aktive Fans betroffen! Der einzige Weg an Informationen zu kommen, geht über ein Auskunftsersuchen bei der Polizei. Meldet euch dafür bei uns!

Hier findet ihr die Formulare zur Auskunft & Löschung des Eintrags:

Auskunft EASy GS
Löschungsantrag EASy GS

Wir sind und bleiben solidarisch .

Rot-Grün-Weiße Hilfe Augsburg
10.02.2022